Ein Ort der Hoffnung


„Aus den Dörfern und aus Städten, von ganz nah und auch von fern … Und so kamen sie in Scharen, brachten ihre Kinder mit, ihre Kranken, auch die Alten, selbst die Lahmen hielten Schritt …“ An dieses von so vielen Katholikentagen bekannte Lied von Habakuk muss ich an diesem sonnigen, warmen Morgen des 15. August denken, als sie die Anhöhe zum Heiligtum auf dem Marienberg heraufkommen: Babys in Kinderwagen, Kinder auf Dreirädern, junge Männer und Frauen auf Fahrrädern, Menschen in Rollstühlen und mit Rollatoren, Jugendliche, ganze Familien … selbst laufend oder fahrend, getragen, geschoben, mit Schweißperlen auf der Stirn, und einem Strahlen der Erwartung in den Augen. Sie kommen. Kommen zum Fest der Aufnahme Marias in den Himmel und zur Feier von 25 Jahren Heiligtum der Verbundenheit.
Schon ab gut vier Kilometern Entfernung ist der Weg ausgeschildert: Schönstattzentrum Marienberg. Und je weiter man sich den immer schmaler und kurviger werdenden Weg hinaufbewegt, desto häufiger zeigen einem kleine Schilder mit dem Schönstattlogo: Bist richtig, weiter … bis die Freiwillige Feuerwehr signalisiert, wo man parken soll, damit Platz bleibt für alle, die noch kommen.
Vor dem Heiligtum herrscht emsiges Treiben, Monsignore Josef Treutlein schafft eine wunderbare Ankomm-Atmosphäre mit der Begrüßung der Pilgergruppen, die nach und nach eintreffen: eine Gruppe von 25 Personen aus Würzburg, Fahrradpilger (ohne Fahrräder, die haben sie weiter unten stehengelassen), zehn Pilger von hier, 41 Pilger von dort, die Blaskapelle von Hohenpötz, und er erinnert an das Treffen von Putin und Trump am heutigen Tag …
Manche Gruppen tragen Fahnen mit sich, viele Pilger haben Kräuterbüschel in der Hand: die Segnung der Kräuter gehört hier traditionell zum Fest der Aufnahme Marias in den Himmel.
Der Platz vor dem Heiligtum, in der Schattenhalle und auf den umliegenden Rasenflächen füllt sich schnell, Schatten unter den Bäumen ist heiß begehrt, und bevor der Festgottesdienst beginnt, suchen viele noch schnell einen Moment der Begegnung im Heiligtum …
Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln
Mit dem blumengeschmückten Kreuz mit dem Bild der Gottesmutter von Schönstatt (getragen von Renate Siebenkäs, die viele als Autorin der Artikel vom Marienberg kennen), Kreuzen, Fahnen und dem großen Bild der Pilgernden Gottesmutter voran ziehen die Priester und Erzbischof Herwig Gössl von Bamberg hinauf zum Heiligtum.
Vor dem Beginn des Gottesdienstes begrüßt Diözesanpräses Martin Emge den Erzbischof, den Bürgermeister von Scheßlitz, Ordensschwestern aus der Nähe, die anwesende Presse: Chefredakteur Andreas Kuschbert vom Heinrichsblatt, Radio Horeb, Maria Fischer von schoenstatt.org.
„Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde“ – mit diesem Satz des Mathematikers Archimedes von Syrakus (um 287 – 212 v. Chr.) eröffnete Erzbischof Gössl die Festpredigt. Übertragen würden wir den Satz vom „archimedischen Punkt“ wohl eher so kennen: „Gebt mir einen festen Punkt im All, und ich hebe dir die Welt aus den Angeln“.
„Es braucht einen festen, sicheren Haltepunkt, auf den Verlass ist, der nicht ständig relativiert und infrage gestellt werden kann. Von diesem Punkt aus kann dann etwas bewegt werden und verändert werden auf dieser Erde, ja, kann diese Erde umgestaltet werden“, so der Erzbischof. „Der heutige Festtag feiert, dass dieser Punkt existiert, dass er gefunden wurde. Der Punkt, von dem aus die Welt aus den Angeln gehoben werden kann. Das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel macht deutlich, dass unser menschliches Leben nicht flüchtig und vergänglich ist, dass der Tod nicht sicher ist, weil am Ende das Leben sich durchsetzt, das Leben jeder einzelnen Person.“
Das Bild aus der Tageslesung vom großen Zeichen am Himmel (Offb 11,19a; 12,1-6a.10ab) stellte er in den aktuellen Zeitkontext: „Und wer denkt bei diesem Bild nicht an die vielen leidenden Kinder auf dieser Welt? An die Kinder, denen keine Lebenschance eingeräumt wird, nicht vor der Geburt und auch nicht danach? An die Opfer der Kriege und Bürgerkriege, an die Kinder, die in vielen Ländern der Erde gewaltsam rekrutiert und zu Kindersoldaten gemacht werden. An die vielen Tausenden Opfer von sexualisierter Gewalt innerhalb und außerhalb kirchlicher Strukturen. Wo der Tod das letzte Wort behält, dort hält er das ganze Leben in Ketten. Dort regieren Angst, Neid, Eifersucht. Dort haben Gewalt und Unterdrückung leichtes Spiel. Aber in der Bildsprache der Offenbarung wird das Kind vor dem Drachen gerettet.“
Weiterblicken als bis zum nächsten Problem
In Blick auf das Tagesevangelium, das Magnifikat, erklärte er am Schluss der Ansprache: „An Maria ging in Erfüllung, was uns alle erwartet, die Vollendung in Gott. So steht sie uns vor Augen, so verehren wir sie und so bitten wir sie auch um ihre Fürsprache. So führt sie uns immer wieder zu ihrem Sohn. Mit ihm beginnt das, Wirklichkeit zu werden, was Maria im Magnifikat prophezeite. Eine neue Welt, in der die Hochmütigen zerstreut werden und die Mächtigen und Reichen vergehen, die Armen und Hungernden aber beschenkt werden.
Mit Christus wird tatsächlich diese alte Welt ausgehebelt, aus den Angeln gehoben, immer wieder. Seit 25 Jahren ist dieser Ort auf dem Gelände eines ehemaligen Raketenstützpunktes für viele Menschen zu einem Pilgerziel geworden. Das Heiligtum der Verbundenheit hat viele verbunden mit Gott und untereinander. So wurde der Marienberg ein Ort der Hoffnung, nicht erst in diesem heiligen Jahr der Hoffnung, sondern in all den 25 Jahren zuvor. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass dieser Ort hier geradezu dazu einlädt, weiterzublicken als nur bis zum nächsten Problem, das schon wieder ansteht.“
Mit dem eucharistischen Herrn über das ganze weite Gelände
Genau eine Stunde „durfte“ der Festgottesdienst wegen der Übertragung durch Radio Horeb dauern – es glückte! Doch danach ging die Feier nahtlos weiter mit einer eucharistischen Prozession über das ganze große, weite Gelände. Wieder wurden Kreuze und Fahnen vorangetragen, folgten Priester- und Schwesternblock, Blaskapelle und die vielen, vielen Pilger … eine beeindruckende, stattliche Prozession, auch wenn einige Kinder am Spielplatz und einige Erwachsene an Getränke- und Grillständen „desertierten“.
Traditionelle Sakraments- und Wallfahrtslieder im Wechsel mit einfachen, zeitgemäßen Texten, eucharistischer Segen an den beiden Altären (Zeltplatz und Festplatz) und am Heiligtum … Wir tragen Christus im Sakrament über das Gelände dieses ehemaligen Raketenstützpunktes. Und er wird Heiligtum.
Ist das nicht eine Zusage, dass jeder Raketenstützpunkt, jeder Kriegsschauplatz in Europa, in Afrika, im Nahen und Fernen Osten, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft und zu Hause Heiligtum werden kann?
Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?
Über Mittag gab es an mehreren Stellen eine große Auswahl an Getränken und Speisen, Kaffee und selbstgebackenem Kuchen. Die angenehme Atmosphäre lud dazu ein, sich in entspannter Runde angeregt zu unterhalten und neue Kontakte zu knüpfen. Viele nutzten die Gelegenheit für inspirierende Gespräche oder ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Für die Kinder gab es Traktorfahrten übers Gelände und Spiele, man konnte die Festschrift, Jubiläumstassen und so vieles mehr bestaunen und kaufen, den am Vorabend bei der Vigil eingeweihten Brunnen bestaunen, und wer einen Moment der Stille suchte, fand ihn in der Hauskapelle oder bei der Anbetung im Heiligtum.
Am frühen Nachmittag fanden sich dann alle wieder am Heiligtum ein. Aufgrund der Hitze wurde die Andacht allerdings in die schöne Schattenhalle verlegt.
Der einzige Neupriester des Erzbistums Bamberg in diesem Jahr 2025, Dr. Marco Weis, stand der Andacht vor, in der viel Raum für persönliche Anliegen war. „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst? Dieser Vers hat mich seit langer Zeit fasziniert, denn er drückt das Staunen über die Größe Gottes aus und zugleich, weil er im Staunen verbleibt, legt er mich nicht auf eine allzu vorgefertigte und abgeschlossene Vorstellung von Gott fest. Er versucht lediglich, das eine zu beschreiben. Gott ist groß. Und im Vergleich dazu ist der Mensch im Grunde verschwindend. Und doch scheint Gott ihn nicht in den Weiten seiner Schöpfung zu vergessen“, so Dr. Weis in seiner kurzen Ansprache. Die Erfahrung, als Mensch geliebtes Kind Gottes zu sein, werde an Maria exemplarisch sichtbar. „Sie ist ganz bei Gott, zu ihm aufgestiegen. Man könnte das auch so umschreiben. Die Menschwerdung Gottes in Jesus wird exemplarisch an Maria seiner Mutter umgekehrt in eine, ja, ich drücke es mal so aus, Vergöttlichung des Menschen in Gottes Ewigkeit. Denn mit Maria dürfen auch wir auf unsere einstige Hinrückung in Gottes Nähe hoffen. Weil Maria, so auch wir.“
Eine lange Schlange bildete sich am Ende der Andacht, als Dr. Marco Weis einzeln den Primizsegen spendete.
Und weil noch so viel guter Kuchen da war, gingen viele noch nicht gleich nach Hause … „25 Jahre Heiligtum der Verbundenheit“ stand auf der Geburtstagstorte. 25 Jahre Ort der Hoffnung für Bamberg … und vielleicht noch darüber hinaus.